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Corona-Resilienz
In Bezug auf die Corona-Infektion bedeutet individuelle Resilienz natürlich zunächst einmal, die Widerstandsfähigkeit unseres Immunsystems gegenüber den Viren zu stärken. Das Nächstliegende ist damit, für körperliche Gesundheit und für körperliches Wohlbefinden zu sorgen. Neben einer möglichen Impfung und der selbstverständlichen Hygiene und Körperpflege kann dies bedeuten, sich gesund und ausreichend vitaminreich zu ernähren und vor allem im Winterhalbjahr Vitamin D und vielleicht auch andere Vitaminkomplexe einzunehmen. Es bedeutet auch, sich ausreichend zu bewegen, das Herz-Kreislaufsystem zu trainieren, sich draußen in der Natur zu bewegen und genügend Sauerstoff aufzunehmen oder im Wald spazieren zu gehen, um die immunstärkenden Terpene des Waldes, die sauerstoffreiche Luft und die beruhigende Atmosphäre und Verbindung mit der Natur wahrzunehmen. Es bedeutet darüber hinaus, dafür zu sorgen, sich im eigenen Körper wohl zu fühlen, für ausreichend Schlaf zu sorgen, Erotik, Sexualität und Zärtlichkeit Raum zu geben, sich zu pflegen und schön zu machen, sich zu entspannen und vieles mehr.
Resilienz ist im Grunde eine psychosoziale Kompetenz, die auf der Fähigkeit basiert, sein eigenes Leben gestalten zu können. Es geht darum, wirksam in Bezug auf unsere eigene Gesundheit und unsere Lebensführung zu sein und darauf Einfluss nehmen zu können. In Bezug auf Corona kann dies bedeuten, den Blick von der Angst, der Bedrohung, der Hilflosigkeit und Ohnmacht hinzulenken zur eigenen Hoffnung, zu Mut, zum Selbstvertrauen, zur eigenen Kraft, zu den eigenen Kompetenzen und Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf die eigene Gesundheit: „Ich bin nicht nur ausgeliefert, sondern ich kann etwas tun!“ Das ist die wichtigste Bewegung: die Kurve zu kriegen von der Angststarre des Kaninchens, das auf die Schlange stiert – hin zum Phönix, der sich in die Lüfte erhebt. Es ist also nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten, positive Erfahrungen von Lebensfreude, Lebenslust, Humor und Glück zu haben, auch um ein inneres Gleichgewicht immer wieder herzustellen gegenüber begründeten Ängsten, Unsicherheiten und damit verbundenen möglicherweise heftigen Emotionen. Und könnte vielleicht ein Schulfach Gesundheit mit Information, Wissen und Kompetenzen im Feld von Gesundheit und Krankheit dazu beitragen, dass die innere Verantwortungsfähigkeit gefördert wird, mit seiner eigenen Gesundheit und seinem eigenen Leben bewusst und selbstwirksam umzugehen?
Genauso sehr basiert unsere Resilienz auf unserer Fähigkeit, tragfähige und erfüllte Beziehungen zu entwickeln und zu pflegen. Während physischer Abstand („physical distancing“ in manchen Ländern) in bestimmten Situationen sinnvoll ist, ist das „Social Distancing“ begrifflich gesehen katastrophal. Denn es kann gar nicht darum gehen, dass wir sozial miteinander in Distanz treten und damit andere Menschen für uns Fremde werden, Andersartige, Gefährliche. Es geht um Zusammenhalt und Integration und nicht um Distanz, auch im persönlichen Leben. Ein wesentlicher – vielleicht sogar der entscheidende Resilienz-Faktor – ist somit „Social Support“, also mitmenschliche Unterstützung. Resilienz entsteht durch tragfähige, unterstützende, ehrliche und letztendlich liebevolle Beziehungen. Gelebte Liebe stärkt unser Immunsystem, trägt uns im Leben und in existenziellen Notsituationen, hilft uns, Krisen zu überstehen, zu heilen und vielleicht sogar in Würde zu sterben. Dabei geht es sicher um mehr als nur Kontakt und Austausch in sozialen Medien. Es geht um die persönliche Begegnung von Menschen, die sich wertschätzen, achten und bereit sind zu unterstützen. Unsere Familie und unsere Eltern brauchen Unterstützung, wir brauchen unsere Freunde, um uns gegenseitig zu balancieren und zu regulieren, aber auch, um miteinander glücklich zu sein und das Leben zu feiern.
Die vielleicht interessanteste Grundlage der Resilienz ist geistige Kompetenz. Dies bedeutet sowohl die Fähigkeit zur geistigen Klarheit als auch dazu, ein sinnvolles Leben führen zu können. Geistige Kompetenz muss entwickelt und geübt werden. Sie besteht nicht nur in der kognitiven Kompetenz logischen und rationalen Denkens, sondern bedeutet auch, im Sinne der Achtsamkeit oder der inneren Beobachtungsfähigkeit Informationen filtern zu können, sich von vorgefertigten Meinungen und Ideologien lösen zu können, andere Perspektiven und Blickwinkel einnehmen zu können und damit auch Komplexität zulassen zu können. Geistige Kompetenz heißt also, sich gerade in den gegenwärtigen Bedingungen nicht polarisieren zu lassen und selbst auch nicht zu polarisieren in Befürworter oder Gegner, Machteliten oder Verschwörungstheoretiker, Angstmacher oder Verharmloser usw. Was bedeutet es, besonnen zu sein, den gesunden Menschenverstand zu bewahren, mit einem klaren Geist und einem offenen Herzen in der Welt zu sein?
Durch Todesbedrohung und Bewegungseinschränkungen entsteht die Herausforderung, innezuhalten und sich den Grundfragen des Lebens zu stellen:
Führe ich ein sinnvolles Leben?
Stehe ich hinter dem, was ich tue?
Was sind meine tiefsten inneren Werte?
Was kann ich tun, um mit ihnen in Kontakt zu bleiben und sie in meinem Leben zu verwirklichen?
Habe ich einen spirituellen Bezug zu etwas Größerem, das mich überschreitet und mich trägt?
Wäre dies eine Zeit, um Meditation, Achtsamkeit oder Stille zu lernen?
Sinn zu empfinden und im Leben auszudrücken hat ein enormes gesundheitsförderliches Potenzial. Es bedeutet, für etwas tätig zu sein, das größer ist als ich und über mich hinausgeht, wie beispielsweise in religiöser, ökologischer, politischer Betätigung, oder für die eigene Familie oder die Nachbarschaft da zu sein.
Kunst und Kultur erfordern noch eine besondere Betonung als eigenständiger Resilienz-Faktor. Kunst kann uns herausfordern oder gar provozieren, sodass wir herauskommen aus unseren alltäglichen Fixierungen auf die Pandemie und der oft vorhandenen einseitigen Perspektive. Kulturelle Aktivitäten können uns inspirieren, zum Nachdenken anregen und ins Gespräch bringen, das wir gegenwärtig so dringend brauchen. Kunst kann uns aber auch trösten, erfreuen, in der Tiefe berühren und unser Herz öffnen. Sie kann uns mit der Lebendigkeit und der Schönheit des Lebens in Verbindung bringen. Und ist nicht die freie Kreativität im künstlerischen Ausdruck das blühende Leben, das wir in dieser Zeit unter keinen Umständen vergessen dürfen?
Fazit
Wir können Gesundheitskompetenz und Resilienz entwickeln durch:
Hygiene, Stärkung des Immunsystems und gesundheitsförderliches Verhalten
Psychosoziale Kompetenz zu Selbstwirksamkeit und seelischem Gleichgewicht
Soziale und mitmenschliche Unterstützung und gelebte Liebe statt „Social Distancing“
Geistige Kompetenz zur geistigen Klarheit, Achtsamkeit und Sinnfindung
Künstlerische und kulturelle Aktivitäten zu Inspiration, Perspektivwechsel und Lebendigkeit
Dr. Joachim Galuska