Warum Kinder wütend werden: Ursachen und Auslöser
Aggressionen bei Kindern sind keine eine Seltenheit. Oft basiert dieses Verhalten auf dem mangelnden Ausdruckvermögen der Kinder. Sie wissen nicht, wie sie ihren negativen Gefühlen anders Luft verschaffen können. Den Eltern oder Bezugspersonen kommt deshalb eine besonders wichtige Rolle zu. Sie sind diejenigen, die die Kinder in ihrer Wut begleiten sollten und ihnen beibringen können, mit ihrer Wut konstruktiv umzugehen.
Die Rolle von Emotionen in der kindlichen Entwicklung
Kinder durchlaufen im Laufe der Entwicklung eine Vielzahl von Emotionen, von Freude bis hin zu Frustration. Wut ist dabei eine natürliche Reaktion, die oft dann auftritt, wenn Kinder sich missverstanden oder in ihrer Autonomie eingeschränkt fühlen. In der Entwicklung lernen sie erst nach und nach, ihre Gefühle zu erkennen und zu regulieren. Dabei spielt die Interaktion mit der Umwelt eine entscheidende Rolle. Kinder beobachten und imitieren, wie Erwachsene mit Emotionen umgehen, und lernen so, eigene Strategien zu entwickeln.
Kinder können etwa ab dem Grundschulalter lernen, mehrere Gefühle in einer Situation auszudrücken. Sie gleichzeitig auch wahrnehmen zu können, ist die Voraussetzung dafür, eine Wahlmöglichkeit zu entwickeln und Steuerung zu erlangen. Lernen Kinder dies nicht oder sind noch im Vorschulalter, dann sind sie oft in einem Gefühl „gefangen“ und nehmen erst nach einer Weile ein anderes Gefühl war. Dies erleben wir immer wieder im Klinikalltag. Beispielsweise gibt es einen Konflikt zwischen einer Mutter und ihrem Sohn. Der Sohn zeigt aggressives Verhalten indem er seine Mutter beschimpft und auch körperlich gewalttätig wird. Wenn dann die Mutter ihren Sohn eingrenzt, läuft dieser ein paar Meter weg und bleibt dort in beobachtender Position stehen und beruhigt sich langsam wieder. Dann wechselt das Gefühl des Kindes und es kommen Schuldgefühle zum Vorschein. Nun zeigt er sich betroffen und will seine Mutter trösten. Dies ist ein Beispiel dafür, dass das Kind noch nicht gelernt hat, mehrere Gefühle in einer Situation wahrzunehmen und sich in einer schwierigen Situation nur schwer steuern kann.
Wenn Kinder gewohnt sind, dass es harte Konsequenzen oder Strafen gibt, entwickeln sie Angst vor dieser Reaktion und finden schwer einen gesunden Zugang zu dem Gefühl der Wut. Diese wird dann oft als Aggression ausgelebt und zwar dort, wo sich das Kind sicher fühlt. Ist z. B. der Vater sehr streng und das Kind traut sich nicht, Wut in seiner Gegenwart auszuleben, dann zeigt es dieses Verhalten möglicherweise bei seiner Mutter oder Geschwistern. Ist auch dies zu gefährlich, dann bei dem Haustier oder an anderer Stelle, an der keine oder geringere Bestrafung zu erwarten ist. Oft richten sich Aggressionen bei Kindern auch gegen sich selbst. Durch Strafen und harte Konsequenzen werden Kinder mit Aggressionsproblem noch mehr frustriert, was mehr Aggression zur Folge hat. Kinder können sich in diesen Gefühlsausbrüchen schwer regulieren. Die Aufgabe der Eltern ist es, sie dabei zu begleiten, auch wenn man selbst in solchen Situationen an seine Grenzen gerät. Denn oft hilft es nichts, den Kindern zu drohen oder Strafen anzukündigen. Sie werden ihr Verhalten irgendwann vielleicht ändern, machen das aber eher aus Angst als aus Verständnis. Sie durch die Gefühle zu begleiten, diese nicht zu bewerten kann ein erster Schritt zu einer Verhaltensänderung sein.
Häufige Auslöser von Wut bei Kindern
Frustration: Wenn Kinder ihre Bedürfnisse oder Wünsche nicht ausdrücken können, führt dies häufig zu Frustration. Beispielsweise kann es zu Wutanfällen kommen, wenn ein Spielzeug nicht funktioniert oder ein Ziel nicht erreicht wird.
Ungerechtigkeit: Kinder sind sehr sensibel für wahrgenommene Ungleichbehandlungen. Dies kann sowohl innerhalb der Familie (z. B. bei Geschwistern) als auch im sozialen Umfeld (z. B. bei Freunden oder in der Schule) auftreten.
Reizüberflutung: In einer lauten oder hektischen Umgebung können Kinder schnell überfordert werden. Reizüberflutung tritt oft in Situationen auf, in denen Kinder wenig Kontrolle über das Geschehen haben, wie bei großen Feiern oder langen Autofahrten.
Entwicklungsschritte: Phasen wie die Trotzphase im Kleinkindalter oder die Pubertät sind von intensiven Gefühlen geprägt. Kinder erleben in diesen Phasen oft einen Konflikt zwischen dem Wunsch nach Unabhängigkeit und der Abhängigkeit von ihren Bezugspersonen.
Wie Eltern und Bezugspersonen richtig reagieren
Ruhe bewahren und Vorbild sein
Kinder lernen von Erwachsenen. Wenn Eltern in stressigen Situationen ruhig bleiben, übernehmen Kinder dieses Verhalten. Tief durchatmen und eine klare, beruhigende Sprache verwenden, ist oft der erste Schritt zur Deeskalation. Ein guter Tipp ist, bewusst langsam zu sprechen und eine körperlich entspannte Haltung einzunehmen, um dem Kind Sicherheit zu signalisieren und die Aggressionen bei Kindern zu begleiten.
Die Gefühle des Kindes validieren
Kinder brauchen das Gefühl, dass ihre Emotionen verstanden werden. Aussagen wie „Ich sehe, dass du gerade wütend bist“ oder „Es ist okay, sich so zu fühlen“ helfen, das Gefühl zu benennen und anzuerkennen. Dadurch lernt das Kind, seine Emotionen besser einzuordnen. Eltern können zudem gezielt nachfragen: „Was hat dich so wütend gemacht?“
Grenzen setzen und Konsequenzen erklären
Es ist wichtig, klare Regeln zu kommunizieren, wie beispielsweise: „Es ist okay, wütend zu sein, aber es ist nicht okay, jemanden zu schlagen.“ Konsistente Konsequenzen schaffen Sicherheit und Orientierung. Beispielsweise könnten Eltern vereinbaren, dass nach einem Wutanfall eine kurze Pause eingelegt wird, um wieder zur Ruhe zu kommen.
Strategien zur Wutbewältigung für Kinder
Alternative Ausdrucksmöglichkeiten aufzeigen
Kinder brauchen Werkzeuge, um ihre Gefühle auf gesunde Weise auszudrücken. Dazu gehören:
Kreative Methoden: Kinder können ihre Emotionen durch Zeichnen, Malen oder Kneten ausdrücken. Diese Aktivitäten helfen, angestaute Gefühle zu kanalisieren.
Bewegung: Toben, Tanzen oder Sport treiben sind effektive Wege, um Energie abzubauen und Wut zu reduzieren. Ein Spaziergang oder Hüpfen auf einem Trampolin kann Wunder wirken.
Sprache: Eltern können Kinder ermutigen, ihre Wut in Worte zu fassen. Ein einfaches „Ich bin wütend, weil…“ hilft dem Kind, seine Gefühle besser zu verstehen und auszudrücken.
Entspannungstechniken erlernen
Techniken wie tiefes Atmen oder kindgerechte Meditation können helfen, in stressigen Momenten ruhiger zu werden. Diese Methoden lassen sich leicht in den Alltag integrieren und wirken vorbeugend. Eltern können einfache Übungen vormachen, wie beispielsweise das langsame Ein- und Ausatmen oder das Vorstellen eines beruhigenden Ortes (z. B. einer Blumenwiese).
Wann professionelle Hilfe notwendig ist
Anzeichen für übermäßige Aggression
Wenn Wutanfälle häufig, unkontrollierbar oder gefährlich für das Kind und sein Umfeld werden, sollten Eltern professionelle Hilfe in Betracht ziehen. Dazu zählen Anzeichen wie:
Regelmäßiges aggressives Verhalten gegenüber anderen Kindern oder Erwachsenen.
Zerstörung von Gegenständen aus Wut.
Häufige und langanhaltende Wutausbrüche ohne erkennbaren Grund.
Ein Kinderpsychologe oder Familientherapeut kann helfen, die Ursachen der Aggression zu identifizieren und individuelle Strategien zur Bewältigung zu entwickeln.
Langfristige Folgen unbehandelter Aggressionen
Unbehandelte Wutprobleme können sich auf das soziale Leben und die psychische Gesundheit des Kindes auswirken. Kinder, die ihre Emotionen nicht kontrollieren können, haben häufig Schwierigkeiten, Freundschaften aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Frühzeitige Intervention hilft, langfristige Probleme zu vermeiden und dem Kind eine positive Entwicklung zu ermöglichen.
Wie kann eine Therapie bei aggressivem Verhalten der Kinder helfen?
Der Fokus der Therapie bei Kindern, die bereits zu aggressives Verhalten neigen, liegt darin die Familienbindung zu stärken. Die Familienklinik Bad Wörishofen unterstützt Eltern darin, ihren Kindern ein sicheres Gegenüber zu sein, das Empathie zeigen und angemessene Grenzen setzen kann. Dafür wurden spezielle Konzepte entwickelt, wie beispielsweise die Bindungstherapie, aber auch Therapieangebote, bei denen der Fokus darauf gerichtet ist, die Bindung zu sich selbst, also zu seinen Gefühlen und Bedürfnissen und die Bindung zu seinen Kindern bzw. Eltern zu stärken.
Zuletzt aktualisiert am 16.01.2025
Bindung und Bindungsstörungen
Familienklinik Bad Wörishofen
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