“Traumatherapie – Das Innere-Kinder-Retten” – Ein Interview mit Gabriele Kahn

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Gabriele Kahn

Ich habe mit Gabriele Kahn ein Interview zu ihrem Basis-Seminar “Traumatherapie – Das Innere-Kinder-Retten”, das am 11. bis zum 12. April in der Akademie Heiligenfeld statt findet, geführt. Gabriele Kahn hat die Methode des “Innere-Kinder-Rettens” entwickelt.

1. In ihrem Seminar “Traumatherapie” erfolgt eine interdisziplinäre Fortbildung zur schonenden Traumaverarbeitung bei Komplextraumatisierten. Was genau versteht man unter Komplextraumatisierung?

Bei Komplextraumatisierung handelt es sich um mehrfache, unterschiedliche Traumata, meist in Kindheit und bzw. oder Jugend.

2. Zur Verarbeitung der Komplextraumata nutzen Sie eine schonende Traumaintegration mittels positiver Vorstellung. Was sind die entscheidenden Vorteile dieser Methode?

Ein großer Vorteil dieser schonenden Traumaverarbeitungsmethode ist, dass der Klient nicht erneut mit dem Trauma konfrontiert wird und es nicht nochmals emotional durchleben muss. So wird eine Retraumatisierung vermieden. Es genügt, rein rational zu wissen, welches Kind oder welcher Jugendliche Rettung benötigt, um diese dann auch zu bekommen.

3. Das “Innere-Kinder-Retten” steht in Ihrem Seminar im Vordergrund. Was kann man sich darunter vorstellen?

Beim Innere-Kinder-Retten werden die aufgefundenen traumatisierten Kind-, Jugendlichen-, oder auch Erwachsenen-Anteile, die Rettung benötigen, von idealen Helfern an einen vorher vorgestellten, schönen und abgesicherten inneren Ort gebracht. Dort werden sie auf ideale Weise von den Helfern versorgt.

Dieser sichere Kinderort ist getrennt vom sicheren Ort des Erwachsenen, jedoch von diesem jederzeit erreichbar. Ideale Verhältnisse sind am sicheren Kinderort nötig, damit die verletzten Kindanteile auch mitkommen. Sie müssen sicher sein, dass ihnen nie wieder ein Leid geschehen wird, sonst bleiben sie lieber in ihrer sicheren Abspaltung.

Sehr wichtig bei der Methode ist, dass der Erwachsene während der Rettungsaktion nicht dabei ist, sondern durch die Unterstützung des Therapeuten ganz konzentriert am sicheren Ort für Erwachsene bleibt, solange bis die Rettung vollzogen ist. Sonst würde nur der Teil des traumatisierten Kindes mitkommen können, der von dem Erwachsenen ertragen werden kann und die schlimmsten Traumagefühle würden nicht „mitgenommen“, sondern erneut dissoziiert. Nach der Rettung, welche immer gelingt, da die Helfer ideal sind, überzeugt sich der Erwachsene davon, dass es dem Kind gut geht. Dies ist sicher der Fall, da das Kind das Trauma hinter sich gelassen hat. Allenfalls ist es noch etwas erschöpft, denn die Rettung bedeutet tatsächlich eine tiefgreifende Veränderung. Danach sind alle Symptome, die mit diesem Kind verbunden waren, verschwunden.

Tauchen bald darauf wiederum Symptome oder negative Gefühle auf, gehören sie zu einem nächsten Kind, das sich zeigt, um auch gerettet zu werden.

4. In Ihrem Seminar vermitteln sie die Integrationsmethode in Theorie als auch in Selbsterfahrung. Warum ist es so wichtig für die Teilnehmer, aktiv dabei zu sein und aus eigenen Erfahrungen sprechen zu können?

Grundsätzlich sollten alle Therapiemethoden in Selbsterfahrung vermittelt werden, da nur auf diese Weise Einfühlung in deren Wirkung möglich ist. Die Therapeuten und später deren Klienten sind oft sehr beeindruckt von der Auswirkung des Innere-Kinder-Retten, die sie sich vorher nicht vorstellen konnten. Durch die eigene Erfahrung mit der Methode können Therapeuten zudem leichter eine Beziehung auf Augenhöhe zu ihren Klienten aufbauen. Diese ist gerade bei Traumatisierten wichtig und hilfreich, eine klare therapeutische Distanz sollte dennoch beibehalten werden.

5. Zu ihrem Basis-Seminar erfolgt auch ein Aufbau-Seminar “Traumatherapie”. Was behandeln sie in diesem Seminar?

Im Aufbauseminar geht es zum einen um den Erfahrungsaustausch mit der Anwendung der Innere-Kinder-Retten-Methode und um eventuelle Fragen. Zum anderen wird vermittelt, wie sich auf sichere Weise die dissoziative Amnesie auflösen lässt, wie also Erlebnisse wieder gefunden werden können, die erahnt oder erschlossen wurden, an die aber die konkrete Erinnerung fehlt, was bei schwer Komplextraumatisierten häufig der Fall ist. Beispielsweise wird bei sexueller Komplextraumatisierung fast immer das erste, also oft schlimmste Mal, nicht erinnert. Komplette Heilung ist natürlich nur möglich, wenn alle Traumata integriert werden (d.h. das jeweils erste Mal einer bestimmten Traumatisierungsart). Diese Integration von nicht mehr Erinnertem erfordert, dass Betroffene dies möchten. Zudem sollten die Ängste vor der Aufdeckung der Traumata bearbeitet werden und innere Stärken aktiviert sein.

Weitere Informationen zum Basis-Seminar “Traumatherapie – Das Innere-Kinder-Retten” erhalten Sie in der Akademie Heiligenfeld, Telefon: 0971 84-4600 oder auf der Internetseite unter “Traumatherapie – Das Innere-Kinder-Retten”.

Literaturempfehlung:

Das Innere Kinder RettenGabriele Kahn hat zu dem Thema “Traumatherapie – Das Innere-Kinder-Retten” auch ein Buch geschrieben. In der Therapie von komplex insbesondere sexuell Traumatisierten sollte es das Ziel sein, Traumata zu integrieren, anstatt die Patienten nur zu stabilisieren. Sonst besteht die Gefahr, dass Symptome zurückkehren. Das Innere-Kinder-Retten, das sich mit jeder der bekannten Traumatherapiemethoden kombinieren lässt, arbeitet nicht mit der belastenden Konfrontation mit Traumaerinnerungen, sondern mit positiver Imagination, wodurch betroffene Erwachsene nicht mit ihren Kindheitstraumata in Berührung kommen. Nach dem Retten können die dissoziierten Anteile integriert werden.
Dieses Buch ist im Shop Heiligenfeld erhältlich.

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2 Antworten

    1. Lieber Martin,

      wir haben Ihre Frage an Frau Gabriele Kahn weitergeleitet und folgende Antwort bekommen:

      Antwort von Gabriele Kahn:
      Es gibt frühe Traumata, die man definitiv aus Erzählungen weiß oder die man eindeutig erschließen kann. Zum Beispiel bedeutet blau auf die Welt gekommen zu sein, dass im Mutterleib Sauerstoffmangel mit Todesangst vorgekommen sein muss. Solche Traumata kann man, wenn sie vor dem zweiten Lebensjahr liegen, ohne konkrete Erinnerung durch Rettung des Babys integrieren. Dass dies möglich ist, liegt vermutlich daran, dass es in diesem frühen Zeitraum noch kein “ich” gibt, von dem dissoziiert wird. Also befindet sich das Trauma im undifferenzierten psychischen Raum und kann durch ideale HelferInnen, denen ein entsprechender Auftrag gegeben wird, gefunden und gerettet werden. Bei nur geahnten frühen Traumata, auf die zum Beispiel bestimmte Symptome hinweisen, ist es sehr oft möglich. Dann ist es wichtig, dass es der/die KlientIn dies wünscht. Auf einen vorher hergestellten inneren Film können dann auch sehr frühe Traumata mit dem inneren Auge gesehen werden. Um dies zu erleichtern, müssen alle Ängste vor der Erinnerung beruhigt sein und sinnvollerweise mit Ego-State-Arbeit innere Stärken vor dem Film-ansehen aktiviert werden. Dieses Vorgehen wird im Buch von mir (erscheint im Mai oder Juni) noch differenzierter als im ersten beschrieben. Im Übrigen wird es in meinem Aufbaukurs an der Akademie Heiligenfeld vermittelt.
      Herzliche Grüße
      Gabriele Kahn

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