In der Heiligenfeld Klinik Waldmünchen (Psychosomatische Familienklinik) werden erwachsene Einzelpersonen, Kinder mit Bezugspersonen (Väter/ Mütter mit Kindern) und Jugendliche stationär aufgenommen. Derzeit beträgt der Anteil der männlichen Patienten im Schnitt nur etwa ein Fünftel der Klinikbelegung; bei Alleinerziehenden, die mit Kindern aufgenommen werden, ist der Anteil der Väter sogar noch geringer.
Im stationären wie im ambulanten Bereich der Psychotherapie suchen Frauen häufiger Hilfe als Männer. Sie gehen häufiger zum Arzt und suchen eher eine psychotherapeutische Beratung auf. Zahlreiche Untersuchungen zur Inanspruchnahme von Psychotherapie kommen zu einem ähnlichen Ergebnis (siebzig Prozent Frauen, dreißig Prozent Männer). In Familienberatungen ist oft bei der Einladung: “Kommen Sie doch gemeinsam mit Ihrem Mann!” die Antwort: “Der kommt bestimmt nicht mit.”
Männer sind genauso häufig betroffen wie Frauen, es äußert sich einfach anders
Dabei ist davon auszugehen, dass Männer und Väter ebenso häufig psychisch erkrankt sind wie Frauen, dies aber nicht in der Öffentlichkeit zeigen und sich dessen selbst auch gar nicht bewusst sind. Männer reagieren eher mit Arbeitswut, vermehrtem Sport oder emotionalem Rückzug auf psychische Probleme. Männer können manchmal die Symptomatik einer Depression länger kompensieren als Frauen, da die Berufstätigkeit eine zweite Sozialisationsstruktur bietet und eher als Ressource wahrgenommen wird, in der man auch mal aus der Familie „fliehen“ kann. Frauen erleben hingegen die Mehrfachbelastung von Kindern, Haushalt und gegebenenfalls auch noch Beruf eher als anstrengend, da sie trotz der Veränderung im traditionellen Rollenbewusstsein immer noch hauptsächlich für die Kinderbetreuung verantwortlich sind. Oftmals wird erst durch Probleme auf der Arbeit, Verlust des Arbeitsplatzes, einer Scheidung oder die Feststellung einer Sucht die psychische Erkrankung bei Männern deutlich.
Die Gemeinschaft hilft Schwellenängste abzubauen
Unsere Erfahrungen mit Männern und Vätern im stationären psychosomatischen Kontext zeigen, dass Männer am Anfang der Therapie eine sehr hohe Hemmschwelle erleben, die es ihnen erschwert, sich auf die Therapie richtig einzulassen. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen ist für viele Männer schwierig, weil sie es als ungewohnt empfinden: in Beruf und Sport zählen oft vielmehr die Fakten, Zahlen und messbaren Leistungen. Erst wenn der Sinn- und Informationsgehalt des Emotional-Systems mittels geeigneter Erklärungen und Erfahrungen deutlicher wird, schmilzt der Widerstand und die Männer beginnen ihre innere Wahrnehmung ernster zu nehmen und sich damit auseinanderzusetzen. Ein wichtiger Teil des Konzeptes der Heiligenfeld Klinik Waldmünchen ist deshalb die Therapeutische Gemeinschaft mit der Möglichkeit, Räume zu schaffen, sich zu zeigen und andere am eigenen Entwicklungsprozess teilhaben zu lassen. Das Erlebnis, von der Gemeinschaft angenommen zu sein und die Gemeinschaft anzunehmen, stärkt das Selbstvertrauen und die Ausdrucksfähigkeit für eigene Bedürfnisse. Im Halt gebenden Rahmen kann Unterstützung und Spiegelung stattfinden, in der Körperpsychotherapie und bei der Eltern-Kind-Bindungstherapie ist tiefes Einlassen und Ausdruck von Gefühlen wie Angst, Wut, Schmerz und auch Freude möglich.
Wenn der therapeutische Prozess gelingt, staunen viele Männer über die sich auftuenden Möglichkeiten der feinfühligeren Kommunikation und Wahrnehmung, die sich mit Frauen und Familien eröffnet. Gerade auch die Kinder und Jugendlichen der therapeutischen Gemeinschaft reagieren in dieser Phase sehr positiv auf die emotional erreichbareren Männer, was häufig eine Steigerung der spontanen Lebensfreude durch diese Anerkennung zur Folge hat.
Im Idealfall gelingt es den Männern ihre Fähigkeiten zur Abstraktion und zum leistungsorientierten Wettbewerb mit ihren neu erworbenen emotionalen Kompetenzen zu balancieren und ihre Handlungsmöglichkeiten in Familie, Beruf und Freizeit um wichtige Optionen zu bereichern.
Darüber hinaus bieten wir für die Bedürfnisse alleinerziehender Väter speziell zugeschnittene Familiengespräche an, bei denen eine eventuelle Trennungssituation kindgerecht reflektiert und die Kindsmutter und ehemalige Lebensgefährtin miteinbezogen werden kann.
Für berufstätige Väter ist weiterhin eine spezielle Kurzzeittherapie von vier Wochen in Planung, welche die berufliche Verantwortung vieler Familienväter berücksichtigt und den kurzfristigeren Einbezug in eine laufende Mutter-Kind Therapie möglich machen soll.
(Mein Kollege Stephan Deutsch hat den Text zusammen mit mir geschrieben 🙂 )
2 Antworten
Danke für den Text! Endlich nimmt sich mal jemand diesem Thema an! Wir Männer sind genauso betroffen, nur meistens einfach nicht so schnell bereit, uns helfen zu lassen. Deshalb ist es gut, dass Sie darüber schreiben!
Viele Grüße
Super Artikel zum Thema Psychosomatik. Meine Schwester hat auch erst vor kurzem darüber geredet und mir empfohlen mich mehr darüber zu informieren.