Eigentlich sollte es das Ziel, ja, sogar der Traum aller Eltern sein: Der eigene Nachwuchs ist groß geworden und nun bereit hinaus in die Welt zu ziehen. Man hat es mit seiner Fürsorge geschafft aus einem hilfsbedürftigen Kind einen unabhängigen erwachsenen Menschen zu machen, der begierig ein eigenständiges Leben beginnt. Alles richtig gemacht! Dafür kann man sich schon mal auf die Schulter klopfen! Nur was, wenn einem so gar nicht nach Freude zu Mute ist?
Das Zuhause wird zur Geisterstadt
Im Durchschnitt leben Kinder zwei Jahrzehnte bei ihren Eltern. Zwei turbulente Jahrzehnte, in denen es viele kleinere und größere Hürden des Heranwachsens gemeinsam zu bewältigen gibt. In einem Haus, in dem Kinder und Teenager leben, ist immer etwas los. Und obwohl man es als Vater oder Mutter eigentlich weiß, es zeitweise vielleicht sogar herbeisehnt, kommt der Moment dann doch für viele plötzlich: Das (letzte) Kind zieht aus. Und plötzlich ist da Stille. Das eigene Zuhause fühlt sich mit einem Mal wie eine Geisterstadt an. Niemand, der mehr nach Mama oder Papa verlangt. Niemand, der Hilfe bei den Hausaufgaben oder ein tröstendes Wort braucht. Sogar das Gezanke vermisst man plötzlich! Ein Gefühl von Leere macht sich im Haus und in einem selbst breit. Für dieses Gefühl gibt es auch einen Namen: Empty Nest Syndrome, zu Deutsch: “Leeres-Nest-Syndrom”.
Das Gefühl nicht mehr gebraucht zu werden
Mütter sind häufiger als Väter von diesem Syndrom betroffen. In vielen Familien herrscht noch eine eher traditionelle Rollenverteilung und so sind es in den meisten Fällen die Mütter, die den intensiveren Kontakt zum Nachwuchs haben und dessen Abwesenheit entsprechend stark spüren. Manchen fällt erst mit dem Auszug der Kinder auf, wie sehr sie sich über die Betreuung ihrer Kinder definiert haben, und sie fallen in ein regelrechtes Loch. Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Lustlosigkeit, Traurigkeit – sogar eine schwere Depression kann aus einem Fall des Empty Nest Syndromes resultieren. Betroffene haben das Gefühl nicht mehr gebraucht und in ihrer Rolle als Elternteil nicht mehr geschätzt zu werden. Man trauert, nicht nur weil man sein Kind vermeintlich “verloren” hat, sondern weil man den Verlust eines Teils seiner eigenen Persönlichkeit spürt.
Einsam statt Zweisam
Wie war das nochmal bevor das Kind bzw. die Kinder da waren? Wie sah das Leben als Paar aus? Auch mit der wiedererlangten Zweisamkeit fühlen sich Eltern, von denen einer oder beide am Empty Nest Syndrome leiden, oft überfordert. Über Jahre hinweg hat sich die Partnerschaft um den Nachwuchs gedreht und plötzlich fehlt der Fixpunkt, um den man sein gemeinsames Leben so lange arrangiert hat. Diese Veränderung kann ein Paar in eine Beziehungskrise stoßen und zwar insbesondere dann, wenn die negativen Gedanken totgeschwiegen werden. Scham ist hier ein falscher Freund! Auch wenn es – von einem rationalen Standpunkt aus – übermäßig dramatisch erscheint über den Auszug eines Kindes zu verzweifeln, so ist es doch wichtig diese Gefühle ernst zu nehmen und mitzuteilen. Im “worst case” ist der Partner ebenso betroffen und man fühlt sich wahrgenommen, weil er genau versteht, was einen bewegt. Im besten Fall kann einem der Partner eine Stütze sein und helfen diese schwierige Phase zu überstehen! Denn das brauchen Betroffene in dieser Situation: Verständnis, Liebe und Unterstützung! Wer alleinstehend oder verwitwet ist, wendet sich am besten an eine gute Freundin, einen Seelsorger oder Therapeuten. Denn so viel steht fest: Sich zurückzuziehen und zu vereinsamen stellt beim Empty Nest Syndrome ein großes Risiko dar!
Kein Ende sondern ein Übergang
Es ist wichtig und tröstend für Betroffene zu verstehen, dass ihre Elternschaft nicht mit dem Auszug der Kinder endet. Sie wandelt sich nur! Zwar lebt der Nachwuchs nicht mehr unter demselben Dach und beansprucht nicht mehr dieselbe intensive Fürsorge wie früher, dennoch spielen Mutter und Vater auch im weiteren Leben ihrer Kinder eine wichtige Rolle. Man bezeichnet diese Veränderung auch als Übergang von der aktiven in die passive Mutter- bzw. Vaterschaft. Dank sozialer Netzwerke und moderner Kommunikationstechnik ist es so einfach wie nie Kontakt zu seinen Sprösslingen zu halten. Und nicht selten sind es dann sogar die Kinder, die auf ihre Eltern zukommen, um sich Rat für verschiedene Lebenslagen einzuholen.
Interessen und Partnerschaft neu beleben
Bei all den betrüblichen Veränderungen, die das “Verlassen des Nestes” mit sich bringt, darf nicht vergessen werden, welche Vorteile es hat, wenn Mama und/oder Papa endlich einmal wieder “für sich” sind. Jetzt ist die Zeit gekommen, um nach all den Jahren, wo man seinen Nachwuchs umsorgt hat, wieder für sich selbst da zu sein! Es ist der perfekte Zeitpunkt um neue oder vernachlässigte Hobbys (wieder)aufzunehmen. Wer schon immer gerne ein Ehrenamt ausgefüllt oder sich sonst sozial engagiert hätte, kann seine Bedürfnis zu helfen und gebraucht zu werden in solche Projekte stecken. Gleichzeitig darf man auch ganz “egoistich” sein: Vielleicht kann man es sich jetzt, wo die Kinder finanziell nicht mehr auf einen angewiesen sind, endlich leisten eine lange gehegte Traumreise anzutreten. Vielleicht ist jetzt das nötige Kleingeld für eine Anschaffung übrig, die man schon vor Jahren tätigen wollte. Vielleicht schwirrt schon eine ganze Weile ein größeres Projekt, bspw. eine Renovierung, im Kopf herum, für die man nun endlich die Zeit findet. Oder man nutzt einfach die Gelegenheit und verbringt mehr romantische Stunden mit dem Partner. Was es auch ist: Es ist wichtig das “leere Nest” als Chance zu begreifen und nicht als eine einsame Insel, auf der man zurückgelassen wurde!
Das Leben wieder lieben
Wenn aber auch nach langer Zeit die “Kinderlosigkeit” noch immer auf einem lastet und scheinbar nichts hilft das Tief zu überwinden, ist es an der Zeit für professionelle Hilfe. Wir von den Heiligenfeld Kliniken sind seit 30 Jahren kompetente Behandler bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Wir helfen Ihnen gerne Ihr Leben wieder zu lieben!