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Mit dem eigenen Hund in die Klinik: Erfahrungsbericht aus der Tierbegleiteten Therapie

Golden Retriever, dessen Pfoten in den Händen einer Person liegen.

Frau R. war Anfang 2025 bereits zum zweiten Mal Patientin in den Heiligenfeld Kliniken. In diesem Interview berichtet sie, wie sie die tierbegleitete Therapie mit ihrer Hündin erlebt hat. Sie spricht über ihre anfängliche Zurückhaltung gegenüber der Gruppentherapie – und darüber, wie ihr gerade deren Struktur und Dynamik halfen, an zentrale persönliche Themen zu gelangen. Außerdem geht es darum, was für Frau R. ein tragfähiges therapeutisches Umfeld ausmacht.

Warum haben Sie sich für Heiligenfeld entschieden?

Momentan bin ich stationär in der Tierbegleiteten Therapie mit meiner Hündin. Ich bin insgesamt sechs Wochen hier und das ist mein zweiter Aufenthalt: Ich war 2023 schon einmal für acht Wochen hier aufgrund einer Burnout-Symptomatik und einer Depression. Damals erfolgte die Einweisung durch meinen Facharzt für Psychiatrie in die Akutklinik. Der jetzige stationäre Aufenthalt wurde von der Deutschen Rentenversicherung Bund genehmigt. Weil ich langjährig meine an Demenz erkrankte Mutter gepflegt habe, hatte ich Anspruch auf eine Reha-Maßnahme. Und für mich war klar, dass ich sie unbedingt hier in den Heiligenfeld Kliniken durchführen möchte, weil ich von dem Therapiekonzept sehr überzeugt bin. Es ist ein breit gefächertes Angebot von unterschiedlichen Therapieformen, die ineinandergreifen.

Wie haben Sie die Gruppentherapie erlebt?

Am Anfang war ich etwas ablehnend gegenüber der Gruppentherapie. Jetzt bin ich überzeugt, dass sich durch die Kerngruppen sehr viele Projektionsflächen bilden und bieten, sodass man schnell an sein eigenes Thema kommt. Jedoch ist das nur möglich, wenn Therapeutinnen und Therapeuten entsprechend ausgebildet sind. Es gibt Regeln, die in der Gruppe eingehalten werden, die eingefordert werden. Zum Beispiel, dass das, was im Gruppenraum gesprochen wird, im Gruppenraum bleibt. Dass auch heiße Themen angefasst werden sollen. Die Regeln machen es leichter, sich zu öffnen.

Und die Gruppe bespricht das auch intern. Wenn jemand Neues kommt, wird darauf hingewiesen. Die Gruppenmitglieder können selbst sagen, was ihnen wichtig ist. Ich glaube, dass das dazu beiträgt, genug Vertrauen zu haben. Es ist also nicht nur die Gruppe allein, sondern eine Struktur, ein roter Faden, der sich durchzieht. Das hat mich begeistert. Und auch, dass meistens zwei Therapeuten da sind. Es sind zwei Paar Augen sozusagen: Während einer spricht, kann der andere die Gruppe wahrnehmen. Durch diese hohe Professionalität und enge Betreuung entsteht ein vertrauensvoller Rahmen.

Das ist auch dynamisch: Die ersten zwei, drei Wochen war meine Kerngruppe ein bisschen anders strukturiert. Dann ist sie durch den Weggang von vier Menschen neu zusammengekommen. Das entspricht jetzt meiner Altersgruppe, auch hinsichtlich der Themen. Vorher waren es zwei ganz junge Frauen und zwei ältere. Da kam mehr das Väterliche, Mütterliche heraus. Jetzt ist es eher auf Augenhöhe, weil das Alter einfach passt. Es war spannend, beides in einem Aufenthalt zu erleben. Es ist faszinierend, wie schnell sich das findet und wie man sofort wieder auf einer Ebene ist.

Welche Rolle spielt Ihre Hündin in der Therapie?

Es hat mich sehr überzeugt, wie schnell ich im ersten Aufenthalt mein sogenanntes Konstrukt entdeckt habe. Schon damals war ich ja in der Tierbegleiteten Therapie und hatte meine Hündin dabei. Zunächst war es für mich so, dass ich sie einfach nirgends unterbringen konnte. Aber inzwischen sehe ich das so: Meine Hündin ist eine loyale Begleiterin im Alltag und sehr wichtig für mich. Ich habe eine sehr enge Bindung zu ihr und ich finde das Konzept interessant, das eigene Tier mit in den Therapieprozess zu integrieren.

Durch die TBT besteht die Möglichkeit, das Tier während des Klinikaufenthalts oder während einer Reha nicht abgeben zu müssen. Zumal am Anfang der Therapie die endgültige Aufenthaltsdauer oft gar nicht feststeht. Das Tier ist dabei, man muss sich keine Sorgen machen, es in fremde Hände abzugeben. Das ist sehr, sehr wichtig für mich. So kann man sich voll und ganz auf den eigenen Therapieprozess einlassen.

Meine Hündin ist vier Jahre alt. Sie ist ein Golden Retriever und gemeinsam mit mir als Therapie-Hunde-Mensch-Team ausgebildet. Meine Hündin und ich übernehmen zu Hause ehrenamtliche Einsätze für eine gemeinnützige Organisation. Wir sind ein gutes Team. Den Therapiealltag mit meiner Hündin erlebe ich als ausgewogen. Der Therapieplan besteht aus Therapien mit und ohne Tier. Während der Zeit ohne Tier hat es dann auf dem Zimmer die Möglichkeit zu ruhen. Und der Mensch hat die Möglichkeit, sich ganz auf sich selbst zu konzentrieren. 

Das ist mir sehr wichtig zu erwähnen: Ich erlebe es immer wieder, dass Mitpatienten mit der Vorstellung ankommen, dass das eigene Tier komplett in jede Therapieeinheit mit einbezogen wird. Beim ersten Aufenthalt war ich so in einem Burnout, dass ich mir eigentlich überhaupt keine Vorstellungen gemacht habe. Das war ein großer Vorteil für mich, ich habe das einfach so genommen, wie es kam. Dieses Mal habe ich bewusst weniger Therapien mit Hund ausgesucht als beim letzten Aufenthalt. Damals war es ganz intensiv mit dem Hund und ich habe festgestellt, wie viel schneller ich dadurch auf mein Konstrukt gekommen bin – das hat mir der Hund im Prinzip genau gezeigt.

Wie konnte Ihnen Ihre Hündin dabei helfen?

Das war ein Schlüsselerlebnis für mich: Wir waren draußen und es wurde eine Aufgabe gestellt. Einmal sollte der Mensch führen und einmal der Hund. Als dann der Hund an der Reihe war, war ich komplett in meiner Aufgabe und dachte mit meinem Pflichtbewusstsein: Der Hund führt, egal was kommt. Ich habe wahrgenommen, dass die Rute nach oben geht – als Zeichen dafür, dass es irgendwo etwas zu Fressen gibt. Und dann hat sie etwas gefunden. Ich war wie gelähmt, konnte das nicht unterbrechen und bin zusammengebrochen.

Dann hat mich die Therapeutin rausgenommen. Ich habe ihr gesagt, dass ich es überhaupt nicht verstehe und dass ich wie im Nebel bin. Ich sollte ihr die Situation noch einmal schildern. Dabei habe ich gemerkt, dass genau das passiert ist, was in meinem Leben ständig passiert war. Wenn einer sagt, du springst die Brücke runter, dann mache ich das. Egal, ob ich oder andere in Gefahr sind. Mein Hund war ja in Gefahr. Zum Glück hatte er nur Leckerlis gefunden. Ich habe den Hund einfach machen lassen, weil ich die Aufgabe hatte, dass der Hund führt. So bin ich auf mein Konstrukt gekommen.

Auf jeden Fall kann das eigene Tier zusammen mit der Beobachtungsgabe der Therapeuten den Therapieerfolg beschleunigen. Es ist einzigartig für mich, wie diese Tiertherapeuten hier waren. In dem Moment habe ich weder mich geschützt noch meinen Hund. Das dann aufzuarbeiten war sehr wertvoll. Dieses Ereignis hat viel in meinem Leben verändert, auch wie ich mich selber wahrnehme und sehe. Dass man über Gefühle spricht und über das Fühlen diese eigene Nähe wiederfindet – das empfinde ich als wahnsinnig gutes Konzept. Es geht nicht darum, was man alles erreicht hat und wie toll man alles gemacht hat, das hilft mir gar nicht. Sondern es geht darum, über das Fühlen wieder Nähe zu sich selbst und seinem Leben zu schaffen. Und dann auch Grenzen zu setzen.

Wie nehmen Sie die Betreuung und Atmosphäre in der Klinik wahr?

Was ich als sehr unterstützend erlebt habe, ist die Wertschätzung des Klinikpersonals. Angefangen von der Kernpsychotherapeutin bis hin zu Kreativtherapeuten, die so viele Möglichkeiten aufzeigen. Das ist eine so große Variabilität und jeder bringt etwas Eigenes mit. Trotzdem bleibt es in einem Konzept. Und das finde ich sehr, sehr wertvoll.

Auch das Servicepersonal in der Küche und an der Rezeption und die Damen, die im Zimmer saubermachen – die zu zweit kommen, weil eine sich mit dem Hund beschäftigt: Es gibt einfach eine Wertschätzung des Menschen, der kommt und Hilfe braucht. Und auch gegenüber dem Tier, das begleitet.

Ein besonderer Moment für mich war, das zweite Mal hier anzukommen und erkannt zu werden. Als ich zum Haupteingang reinging, stand da eine Therapeutin, die mich beim letzten Mal begleitet hatte und mich wiedererkannte. Auch das Pflegepersonal hat mich wiedererkannt und mit der Zeit wahrgenommen, dass ich dieses Mal so viel weniger in die Pflege komme und dass es mir bessergeht. Das hat mir gezeigt, dass ich hier gesehen werde.

Ein weiteres Zeichen dafür war für mich eine Situation mit meiner Kerntherapeutin. Sie war fast zwei Wochen im Urlaub während meines Aufenthalts von acht Wochen und ich wurde an eine weitere Therapeutin verwiesen. Ich hatte Sorge, dass das den Therapieprozess unterbricht. Aber die neue Therapeutin wusste alles von mir, sie hatte eine exzellente Übergabe bekommen. Sie hat noch einmal mit mir gecheckt, wo ich in dem Moment stehe und konnte genau da ansetzen. So war es sogar von Vorteil für mich, mit einer anderen Therapeutin Einzelgespräche zu haben. Diese ausführlichen Übergaben im Hintergrund habe ich zum Beispiel auch in der Tanztherapie erlebt. Als Kinderärztin komme ich selbst aus dem therapeutischen Bereich und weiß, wie schwierig es ist, an Kollegen zu übergeben. Das ist für mich sehr eindrücklich gewesen, wie professionell hier gearbeitet wird.

Fühlen Sie sich gut auf die Rückkehr in den Alltag vorbereitet?

Ich sehe meiner Rückkehr sehr hoffnungsvoll und zuversichtlich entgegen – dadurch, dass ich während meines Aufenthaltes viele Möglichkeiten und Ansätze mitbekommen und erlernt habe. Und auch, weil es so ein gutes Nachsorgeprogramm gibt. Ich finde die Transfergruppen sehr wertvoll im Hinblick auf zu Hause, weil sie wirklich eine Vorbereitung sind. Hilfreich ist auch, dass es Selbsthilfegruppen gibt, die von ehemaligen Patienten ins Leben gerufen und von der Klinik unterstützt werden. Oder ehemalige Therapeuten der Klinik, die deutschlandweit praktizieren. So kann man eine Anbindung zu Heiligenfeld behalten und hat nicht das Gefühl, endgültig zu gehen. Eine solche Verbindung, auch durch Treffen für ehemalige Patienten in der Klinik, ist ein einmaliges Konzept, das ich so noch nicht erlebt habe.

Welchen Rat möchten Sie Menschen geben, die über einen Klinikaufenthalt nachdenken?

Was mich sehr unterstützt hat, ist die Gemeinschaft der Menschen in der Klinik. Das Gefühl, getragen zu sein und mich so angenommen zu fühlen, wie ich bin. Ich möchte den Hilfesuchenden, die diese Zeilen lesen, Mut machen, den Schritt in die Heiligenfeld Kliniken zu wagen oder zu gehen. Denn sie werden nicht enttäuscht. Ich wünsche diesen Menschen die Entschlossenheit und Bereitschaft, eine Veränderung anzunehmen.  

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Das Interview führte Rene Greiner

René Greiner ist Diplom-Psychologe in den Heiligenfeld Kliniken.

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Leonie Schickell ist Pressereferentin der Heiligenfeld Kliniken und schreibt für den Heiligenfeld Blog.
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Leonie Schickell ist Pressereferentin der Heiligenfeld Kliniken und schreibt für den Heiligenfeld Blog.

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