Die Corona-Krise stellt uns alle vor Herausforderungen. Auch der Alltag vieler Familien hat sich durch Homeoffice, Heimunterricht und Ausgangsbeschränkungen gravierend verändert, was zu kritischen Situationen führen kann. Eltern, Kinder und junge Erwachsene, die sich jetzt psychisch besonders belastet fühlen, finden in der Heiligenfeld Klinik Waldmünchen kompetente Ansprechpartner*innen. Eine davon ist Dr. Petra Kingsbury, die klinikleitende Psychologin.
Was erwartet die Patient*innen in der Heiligenfeld Klinik Waldmünchen?
Dr. Kingsbury: In der Heiligenfeld Klinik Waldmünchen wird Patient*innen ein Zuhause auf Zeit angeboten. Die Umgebung der Klinik ist vertrauensvoll und heilgebend gestaltet, damit sie die Möglichkeit haben, in einer liebevollen Umgebung neue Lösungen für aktuelle Probleme zu finden.
Was meinen Sie genau, wenn Sie von aktuellen Problemen sprechen?
Dr. Kingsbury: Wir werden als Menschen mit dem Bedürfnis nach Nähe, Zugehörigkeit und Geborgenheit geboren. Aktuell, aufgrund der
Corona-Pandemie, sind wir alle kollektiv in der Situation, dass wir grundlegendste Bedürfnisse nicht oder nur eingeschränkt befriedigen können. Die Verhaltenseinschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie berühren damit die grundlegendsten Bedürfnisse, die wir haben. Und in dieser Situation sehen wir zwei große Unterschiede: Menschen, die es gelernt haben, ihre Bedürfnisse zu erkennen und sie in angemessener Art und Weise zum Ausdruck zubringen, können mit der aktuellen Situation leichter umgehen. Sie können diese Bedürfnisse regulieren, sie zurückstellen, den Verzicht zum Beispiel einem höheren Sinn widmen. Anders ergeht es den Menschen, die keine guten Rahmenbedingungen hatten, eigene Bedürfnisse kennenzulernen und diese liebevoll beantwortet zu bekommen. Sie können mit diesem Mangel schwer umgehen. Sie können ihn schwer regulieren, und die Isolation und die fehlenden sozialen Kontakte führen bei ihnen zu dem vermehrten Erleben von Angst und Unsicherheit.
Wie hilft da ein stationärer Aufenthalt in der Klinik?
Dr. Kingsbury: Die Heiligenfeld Kliniken sind darauf spezialisiert, Menschen darin zu unterstützen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen, Gefühle zu entdecken und einen angemessenen Umgang mit ihnen zu finden. Familien und auch Einzelpersonen, die zuvor schon in herausfordernden Belastungssituationen waren, können aktuell durch die massiven Veränderungen in emotional überlastende Situationen geraten, die sie alleine nicht mehr bewältigen können. Wir bieten Unterstützung für Familien und Einzelpersonen, die in der aktuellen Situation in eine behandlungsbedürftige Krise geraten sind und nach Wegen aus diesen Konflikten suchen. Die Heiligenfeld Klinik in Waldmünchen hat ein spezielles Konzept entwickelt, in dem sie Familien und Einzelpersonen unter anderem die Möglichkeit gibt, für zwei Wochen eine Kurzzeittherapie zu machen.
Wo setzt die Therapie an?
Dr. Kingsbury: Heilung beginnt immer bei uns selbst, und so werden die Patient*innen in der aktuellen Krisensituation darin unterstützt, einen Blick auf sich selbst zu richten. Welche Beziehung habe ich zu mir selbst? Kann ich mich um meine Bedürfnisse und meine Gefühle in angemessener Art und Weise kümmern? Um sich dann der Frage zu widmen, wie bin ich mit den anderen in Beziehung? Was braucht die Familie? Welche Kompetenz brauche ich? Welche Kompetenzen braucht die Familie in dieser Krise? Welche Fähigkeiten brauche ich? Welche Fähigkeiten brauchen wir als Familie in dieser Krise? In der angeleiteten Therapiesituation können Patient*innen für sich reflektieren, was funktioniert und was nicht funktioniert. Welche Gefühle treten auf? Welche Konflikte entstehen innerhalb der Familie, weil es unterschiedliche Bedürfnisse gibt?
Was können Familien aus der Kurzzeittherapie mitnehmen?
Dr. Kingsbury: Familien benötigen in dieser häuslichen Quarantäne Regeln, wie sie gut miteinander umgehen können. Hier in der Therapie können sie solche Regeln lernen.
Sie können lernen, dass Wut, Trauer oder Schmerz wichtige Gefühle sind, die dann, wenn sie angemessen zum Ausdruck gebracht werden, der Selbstfürsorge dienen und im zwischenmenschlichen Bereich Ausdruck von Liebe sein können. Die therapeutische Gemeinschaft hier in der Klinik ist ein sehr gutes und sehr dichtes Übungsfeld, um Bedürfnisse und Gefühle zu entdecken, ihnen liebevoll zu begegnen und im Spiegel des anderen diese zur Erfüllung zu bringen. Eltern, denen es gelingt, ihre eigene Bedürfnislandschaft kennenzulernen, können diese nahrhaft an ihre Kinder weitergeben. Sie können die Krise nutzen und sie können für sich und für andere wertvoll und wertschöpfend handeln. Heiligenfeld bietet darüber hinaus auch Raum für die Frage: Was war der bisherige Sinn meines Lebens? Ist dieser noch gültig oder kann ich die Krise als Chance begreifen, mich neu auszurichten?
Wer kann als Patient*in in die Klinik kommen?
Dr. Kingsbury: Wir nehmen Eltern mit ihren Kindern ab einem Alter von drei Jahren auf, ebenso Jugendliche und junge Erwachsene. In der therapeutischen Gemeinschaft haben sie alle die Möglichkeit, Familie auf Zeit zu erleben, um diese Erfahrung gewinnbringend in ihre häusliche Situation mitzunehmen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Besonders große Belastung für Alleinerziehende
Der zweite Lockdown setzt nach einer Studie vielen Familien in Deutschland massiv zu. Die Situation sei für viele Erwerbspersonen mit Kindern sogar noch belastender als im ersten Lockdown im Frühjahr 2020, berichtete die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung, gestützt auf eine repräsentative Befragung von mehr als 6200 Erwerbstätigen und Arbeitssuchenden. Besonders groß sei die Belastung für Mütter und insbesondere für Alleinerziehende.
Kinder leiden weiterhin stark unter der Pandemie
Die Lebensqualität und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat sich in Deutschland im Verlauf der Corona-Pandemie weiter verschlechtert. Fast jedes dritte Kind leidet ein Jahr nach Beginn der Pandemie unter psychischen Auffälligkeiten. Sorgen und Ängste haben noch einmal zugenommen, auch depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden sind verstärkt zu beobachten. Erneut sind vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund betroffen.
Das sind die Ergebnisse der zweiten Befragung der sogenannten COPSY-Studie (Corona und Psyche), die Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) durchgeführt haben.
Organisation des Familienalltags
Anregungen und Tipps für den Familienalltag daheim und für die positive Kommunikation mit Kindern gibt das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales auf seiner Homepage. Unter anderem zeigt das Ministerium dort auf, wie trotz der Covid-19-Pandemie in der Familie eine positive Kommunikation stattfinden kann.
Dr. Petra Kingsbury
Dr. Petra Kingsbury ist klinikleitende Psychologin der Heiligenfeld Klinik Waldmünchen. Das Interview wurde im Corona-Burnout-Journal der Heiligenfeld Kliniken veröffentlicht.