Immer öfter hört man von “5 Phasen der Depression”. Unser Diplom-Psychologe René Greiner erklärt, was es damit auf sich hat und ob sich eine Depression wirklich in Phasen unterteilen lässt.
Psychische Erkrankungen sind weit verbreitet, vielfältig, sehr komplex und mit den unterschiedlichsten Methoden behandelbar. Das Wissen über Ursachen, Entstehung und Therapien ist enorm, und gleichzeitig gibt es noch so vieles, was wir nicht verstehen oder aufgrund neuer Erkenntnisse revidieren müssen. Im Falle der Depression, einer der häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit, gibt es bildhaft gesprochen ganze Bibliotheken an Fachwissen, und trotzdem haben wir diese Krankheit noch längst nicht vollkommen verstanden. Wer betroffen ist, wünscht sich Orientierung und sucht nach Hilfe.
Das Modell der 5 Phasen einer Depression versucht diesem Bedürfnis ein Stück weit Rechnung zu tragen. Es vermittelt den Eindruck einer chronologischen Abfolge spezifischer Symptome – ähnlich wie Elisabeth Kübler-Ross‘ Modell der verschiedenen Trauerphasen. Eine Depression verläuft nicht zwingend in den nachfolgend aufgeführten Phasen. So können beispielsweise einzelne Phasen ausbleiben oder übersprungen werden.
Die 5 Phasen der Depression im Überblick
Phase 1: Es werden Muster an negativen Gedanken erkenntlich: „Das Glas ist immer öfter halb leer anstatt halb voll.“
Phase 2: Veränderungen im Appetit: Appetitlosigkeit ist ein häufiges Symptom der Depression. Manche Menschen erleben auch einen übersteigerten Appetit, der zu ungewollter Gewichtszunahme führen kann.
Phase 3: Schlafstörungen: Ein- oder Durchschlafstörungen sind ebenso Kennzeichen einer Depression.
Phase 4: Selbstvorwürfe und Schuldgefühle: Ein vermindertes Selbstwertgefühl gilt als symptomatisch bei einer Depression. Wir nehmen die Schuld für Dinge auf uns, für die wir gar nicht verantwortlich sind, wie z. B. auch die Schuld für die Depression an sich.
Phase 5: Suizidale Gedanken oder sogar suizidales Verhalten: Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung können in der Absicht enden, das eigene Leben beenden zu wollen.
Als Psychologe mit mehrjähriger Berufserfahrung muss ich feststellen, dass ich in meiner gesamten Studienzeit und auch im Rahmen meiner Praxis nie von diesem Modell der “5 Phasen der Depression” gehört hatte. Natürlich ist jedes der genannten Symptome typisch für eine depressive Erkrankung, doch ist die Beschreibung eines Phasenverlaufs mit der täglichen Realität und dem tatsächlichen Erleben Betroffener oft nicht vereinbar. Trotz klassischer Beschwerden, die für eine Depression charakteristisch sind, erlebt jede*r ganz individuelle Symptomkonstellationen. Wichtiger als der vermeintliche Phasenverlauf ist die Tatsache, dass Depressionen trotz ihrer Komplexität und Individualität gut behandelbar sind – je früher, desto besser.
Symptome einer Depression
Die Symptome einer Depression sind vielfältig. Dennoch gibt es Symptome, die bei einer Depression meistens auftreten. Von einer Depression betroffen sind laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe im Laufe eines Jahres 5,3 Millionen Deutsche. Woran lässt sich eine Depression erkennen?
Zu den Hauptsymptomen einer Depression zählen:
- eine gedrückte Stimmung,
- ein Verlust an Freude und Interesse an Aktivitäten sowie
- ein Mangel an Antrieb und schnelle Ermüdbarkeit.
Die Nebensymptome einer Depression können sein:
- Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl sind stark reduziert
- Schuldgefühle und Selbstvorwürfe
- Ein negativer, pessimistischer Blick in die Zukunft
- Störungen des Konzentrationsvermögens, der Aufmerksamkeit und der Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen
- Ein- und/oder Durchschlafstörungen
- Appetitminderung, gelegentlich auch Appetitsteigerung
- Gedanken daran, nicht mehr leben zu wollen, bis hin zu suizidalem Verhalten
Behandlung einer Depression
Die Behandlung depressiver Erkrankungen stützt sich auf zwei zentrale Säulen: Psycho- und Pharmakotherapie. In der Psychotherapie existieren verschiedene Fachrichtungen, in der Pharmakotherapie Medikamente mit unterschiedlichen Wirkungsweisen.
Arten von Depression
Es gibt verschiedene Arten von Depressionen. Bei den leichten bis mittelschweren Depressionen gilt die Psychotherapie als Mittel der ersten Wahl. Antidepressiv wirkende Medikamente können unterstützend eingesetzt werden. Bei schweren depressiven Episoden empfehlen die medizinischen Leitlinien eine Kombination aus Psycho- und Pharmakotherapie.
Behandler*in und Patient*in entscheiden gemeinsam darüber, welches Behandlungsverfahren eingesetzt wird. Dabei werden Wünsche und Bedenken auf Seiten der Betroffenen genauso berücksichtigt wie die ärztliche Erfahrung und die bestehenden wissenschaftlichen Leitlinien.
Behandlung von Depression in den Heiligenfeld Kliniken
In den Heiligenfeld Kliniken behandeln wir Depressionen leitlinienorientiert und ganzheitlich. Unser Therapiekonzept verbindet die verschiedenen Therapieschulen, wobei die tiefenpsychologische Ausrichtung vorherrscht. Hinzu kommt ein breites Angebot an kreativ- und körpertherapeutischen Maßnahmen.
Außerdem haben wir einen gruppenpsychotherapeutischen Schwerpunkt. Wir legen großen Wert auf gelebtes Miteinander. Gerade für Patient*innen mit einer Depression ist der Kontakt zu anderen Menschen herausfordernd; gleichzeitig liegt hierin ein enormes Potenzial. Durch die Gemeinschaft und die Vielzahl an erlebnisorientierten Therapien werden Ressourcen aktiviert und Perspektiven geschaffen.
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Behandlung von Depression
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2 Antworten
Hmmm… da ich selbst schon einmal darunter gelitten habe, weiß ich nicht so recht, ob man das so einteilen kann in 5 Phasen. Wir Menschen neigen dazu, alles zu systematisieren und in Modelle der Wirklichkeit zu packen – und verpassen dadruch oft die Wirklichkeit selbst 🙂
Hat mich jetzt nur getriggert, meinen Senf dazu zu geben.
Liebe Grüße,
Nora
Danke, Herr Greiner, dass Sie ehrlich sagen, dass Sie weder in Ausbildung noch im Studium je was von diesen Phasen gehört haben. Mir fehlt bei solchen Modellen häufig der Praxisbezug und irgendwie gibt es mir das Gefühl, dass ich anders wäre, wenn nicht alle Phasen so durchlaufen werden. Deshalb mag ich es sehr, dass Sie das Thema kritisch beleuchten. Das zeigt Kompetenz und, dass nicht einfach nachgeplappert wird, was man so im Netz findet. Daumen hoch 👍🏼.
Grüße
M. L.