Kreativität ist in den Heiligenfeld Kliniken ein besonders wichtiger Bestandteil der Therapie. Sie hilft in ihren verschiedensten Formen dabei, sich selbst auszudrücken, Erlebtes zu verarbeiten und bei sich selbst anzukommen. Kreativität gibt uns Zugang zu unserer schöpferischen Kraft. Eine Therapiegruppe, die sich z. B. in der Parkklinik Heiligenfeld mit der Kreativität beschäftigt, heißt “Kreative Medien”. Dort arbeiten die Patienten mit Malerei, Speckstein oder Ton daran, einen vertieften Zugang zu ihren Gefühlen zu bekommen.
Die Unternehmerin Andrea Wiesner (Name auf Wunsch geändert) ist seit 16 Wochen Patientin in der Parkklinik Heiligenfeld. Anfangs wollte sie nur kurz bleiben. Doch dann entschloss sie sich, den Aufenthalt zu verlängern. “Zu Beginn war ich eher skeptisch, ob das gruppentherapeutische Konzept zu mir passt. Seit Jahren lebe ich alleine und eher zurückgezogen”, erzählt sie mir. “Aber dann habe ich gemerkt, dass gerade die Gruppentherapie für mich geeignet ist.” Warum gerade die Gruppentherapie sie ansprach und die Möglichkeit des Malens für sie so wertvoll ist, erfahre ich zusätzlich im folgenden Interview.
Frau Wiesner, Sie sagten mir, dass Sie der Gruppentherapie eher skeptisch gegenüber standen. Warum? Und wie hat sich das Im Laufe Ihrer Zeit in der Parkklinik Heiligenfeld geändert?
Ich lebe seit Jahren zurückgezogen mit meinem Hund in Sachsen-Anhalt. Ich bin kein extrovertierter Typ und viel alleine. Deshalb dachte ich, ich würde mich in der Gruppentherapie nicht wohl fühlen. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Ich habe selbst Schwierigkeiten, Dinge aus mir herauszulassen und in einer Gruppe ist immer jemand dabei, dem es ähnlich geht. Man bekommt seine eigenen Sichtweisen und Gedanken gespiegelt. Ich finde es unglaublich, was da passieren kann. Das Verständnis und das Miteinander unter den Patienten ist einfach etwas ganz Besonderes.
Wie ging es Ihnen bevor Sie in die Parkklinik Heiligenfeld gekommen sind?
Ehrlich gesagt, ging es mir sehr schlecht. Ich hatte wieder eine depressive Phase, war antriebslos, mied Menschen und isolierte mich völlig. Zudem verspürte ich eine große Angst und zeigte Vermeidungsverhalten gegenüber Orten, die meine Angst verstärkten.
War das auch der Grund für Ihren Aufenthalt bei uns?
Zum einen ja. Zum anderen habe ich aufgrund meiner Kindheit eine posttraumatische Belastungsstörung. Ich bin in der ehemaligen DDR geboren und kam mit zwölf Jahren in ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche. Diese Zeit hat mich sehr geprägt. Noch vor dem Mauerfall stellte ich einen offiziellen Ausreisantrag und durfte mit 21 Jahren alleine in den Westen. Da habe ich zunächst gedacht, mir gehört die Welt. Ich bin viel um die Welt gereist und hatte einen guten Job. Ich führte als Geschäftsführerin ein Unternehmen und war für das Personal verantwortlich. Doch die Verletzungen der Kindheit haben mich nie wirklich losgelassen. Hinzu kam dann ein weiterer Schicksalsschlag, als sich im Jahr 2011 mein Lebenspartner das Leben nahm. Und das war dann irgendwann einfach zu viel.
Welche Therapieform war für Sie am wertvollsten?
Neben den Gruppentherapien in meiner Kerngruppen empfand ich für mich die Gruppe “Kreative Medien” am besten. 2012 habe ich bereits mit dem Malen angefangen und ich merkte hier in Heiligenfeld immer mehr, dass das eine gute Ausdrucksform für mich ist, Dinge zu verarbeiten. Durch die Bilder kann ich meine Gefühle rauslassen und Verletzungen auch abschließend bearbeiten. Manche Dinge verlieren durch das Malen ihren Schrecken, was sehr heilsam ist. In jeder Phase der Therapie habe ich Bilder gemalt. Wenn ich sie mir jetzt so anschaue, dann geben mir vor allem die Bilder, die ich mit Wünschen oder positiven Gefühlen gemalt habe, Hoffnung. So langsam manifestiert sich der Wunsch, wieder ins Leben zu starten.
Wie kann man sich so eine Therapieeinheit vorstellen?
Unser Therapeut hat am Anfang jeder Stunde ein Thema vorgegeben. Zum Beispiel die Fragen: “Worin finde ich Halt?” oder “Wo liegen meine Wurzeln?” In der letzten Sitzung kam die Frage “Was kann mir das Meer geben?”. Diese kann man ja z. B. positiv mit Ruhe, Gelassenheit, Freiheit oder aber auch negativ mit Angst, Unberechenbarkeit etc. beantworten. Dann kann jeder Teilnehmer frei entscheiden, wie er das Thema bearbeiten möchte. Malen, Speckstein, Ton, Kreide, Kohl. Aber wenn man nicht möchte, ist man auch frei, ein eigenes Thema zu wählen. Zum Beispiel, wenn in den anderen Therapien gerade etwas als sehr präsent erlebt wird, kann man es mit in die Kreativitätsgruppe bringen. Im Anschluss schauen wir die geschaffenen Werke zusammen an und wer möchte, kann etwas dazu sagen. Mir persönlich haben auch immer die vielen Rückmeldungen der Mitpatienten geholfen, etwas neu oder anders zu betrachten.
Welche Art des Malens finden Sie am besten?
Am liebsten mal ich mit Aquarell. Das gibt für meine Bilder den schönsten Effekt, da die Übergänge sehr schön werden und man es verwässern kann. Das erste Mal überhaupt habe ich in der Parkklinik Heiligenfeld mit Acryl gemalt. Die Bilder finde ich auch schön und kräftig, aber Aquarell ist mir lieber (schmunzelt).
Gab es noch irgendetwas, was Ihnen gefallen hat?
Ich bin mit meinem Hund in die Klinik gekommen und das ist hier wirklich einzigartig. Ein ganzes Haus für Patienten mit Hunden, das getrennt ist vom Rest der Klinik, damit die Hunde wirklich überall hin können. Von der Hundeküche, der Tierdusche bis über die Reinigungsfrauen, die liebevoll Hundedecken auslegen, gefällt mir das wirklich sehr gut.
Ein weiteres einschneidendes Ereignis war für mich die Teilnahme am Lama-Spaziergang. Ich kam zu spät und es war nur noch der Lamahengst Toni für mich frei. Ich musste mich beeilen und nahm die Leine in die Hand, ziemlich straff am Halfter und zog dran. Toni fing an zu würgen und war kurz davor, mich vollzuspucken. Dann sagte mir die Therapeutin, dass ich ihn bloß nicht zu fest nehmen dürfte, damit er nicht spuckt und sich wehrt. Aber wie führt man ein Tier an der Leine, wenn man keinen Druck auf die Leine geben kann? Also sammelte ich mich kurz, schaute nach vorne und sagte mir innerlich: Du folgst mir und wir gehen zusammen. Und siehe da. Toni kam einfach mit. Dieses Ereignis war wirklich einschneidend für mich.
Mit welchem Gefühl gehen Sie nach Hause?
Mein Gefühl ist zwiespältig. Auf der einen Seite habe ich große Hoffnung, dass ich nun auf einem guten Weg bin und es Zeit für eine Wende ist. Auf der anderen Seite habe ich Angst, wieder in alte Muster zu verfallen. Ich möchte langfristig aus meiner Stadt wegziehen, bleibe aber erst einmal, um alles zu verarbeiten und zu sortieren. Ich habe heute Geburtstag und werde 50. Es ist für mich wie der Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Ich möchte gerne das Antiquariat, das ich mitbetreibe, weiter ausbauen und mehr Zeit in die Restauration von Büchern investieren. Im Großen und Ganzen freue ich mich, auf das was kommt.
Vielen Dank für das tolle Gespräch! Und alles Liebe zum Geburtstag!