Lassen Sie sich leicht ablenken und haben selbst das Gefühl, schlecht organisiert zu sein? Fällt es Ihnen schwer, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren und begonnene Tätigkeiten bringen Sie oft nicht zum Ende? Dann könnte eine psychosomatische Erkrankung dahinter stecken, die wir oft nur von Kindern und Jugendlichen kennen: ADS oder ADHS.
Die Aufmerksamkeitsdefizit(-Hyperaktivitäts)-Störung AD(H)S zeigt sich durch beeinträchtigte Aufmerksamkeit, eine Neigung zur Impulsivität sowie durch motorische Hyperaktivität. “Entgegen früherer Annahmen besteht die neuronale Entwicklungsstörung ADHS bei einem Großteil der Betroffenen im Erwachsenenalter fort. Die Symptome persistieren zumindest teilweise bei etwa 50–80 %. Dabei stellt die Erkrankung einen relevanten Risikofaktor für weitere psychische Störungen, somatische Erkrankungen und psychosoziale Einschränkungen dar.” (Quelle: Springer Medizin). Diese leiden häufig aufgrund der unmittelbaren Schwierigkeiten sowie der sich ergebenden psychosozialen Konsequenzen unter den Folgen. Wichtig dabei ist eine genaue Diagnose. Denn ist im Erwachsenenalter gar nicht so einfach.
ADS oder ADHS?
Unterschieden wird zwischen einer vorwiegend hyperaktiv-impulsiven Ausprägung (ADHS) und einer solchen, die weniger durch Hyperaktivität als vielmehr durch Störungen der Aufmerksamkeit gekennzeichnet ist (ADS).
Aufgrund des frühen Beginns leiden bereits die Kinder unter den Folgen. Sie werden oft gerügt, fallen in der Schule oder im Sportverein „unangenehm“ auf, erleben Ausgrenzung durch ihre Mitschüler*innen und werden als „Zappelphillip“ bezeichnet. All dies kann bei betroffenen Kindern zu einem deutlichen Gefühl der Unzulänglichkeit führen, mit langanhaltenden Auswirkungen auf das Selbstwerterleben.
Wie äußert sich AD(H)S im Erwachsenenalter?
Im (frühen) Erwachsenenalter haben Betroffene häufig Schwierigkeiten im Berufsleben, genauso wie auch in partnerschaftlichen Beziehungen. Sie haben Probleme, Termine einzuhalten, Ihren Arbeitsbereich zu strukturieren oder Rechnungen fristgerecht zu bezahlen. Mitunter kommen sie aufgrund ihrer Impulsivität auch manchmal mit dem Gesetz in Konflikt oder haben einen ungebremsten Rededrang und unterbrechen anderen Menschen häufig. Menschen mit AD(H)S ziehen vergleichsweise häufiger um, haben Klassen in der Schule wiederholt, wechseln häufiger den Arbeitsplatz und berichten häufiger über Probleme in der Partnerschaft. Der bei Kindern beschriebene Bewegungsdrang weicht einer inneren Unruhe bei den betroffenen Erwachsenen. Sie fühlen sich getrieben, berichten von ständigen Grübeleien und heftigen Gefühlsausbrüchen.
In der Heiligenfeld Klinik Berlin behandeln wir seit der Eröffnung im September 2017 Patient*innen mit AD(H)S. Im Verlauf der Jahre haben wir unser Behandlungsangebot ständig spezifiziert. Aufgrund einer zunehmenden Anzahl von Anfragen von Seiten von Betroffenen haben wir uns entschlossen, das Angebot dahingehend zu erweitern, dass wir künftig ein spezifisches und eigenständiges Behandlungsangebot für Patient*innen mit AD(H)S vorhalten.
Da die Kriterien der Internationalen Klassifikation psychischer Erkrankungen (ICD-10, Kapitel F) zur Diagnose der AD(H)S im Kindesalter konzipiert wurden, ist deren Anwendung im Erwachsenenalter häufig problematisch. Stattdessen kann für diesen Zweck auf die Wender Utah Rating Scale zurückgegriffen werden, um AD(H)S bei Erwachsenen zu erkennen.
Wender-Utah-Kriterien der ADHS im Erwachsenenalter
Aufmerksamkeitsstörung
- Unvermögen, Gesprächen aufmerksam zu folgen
- Erhöhte Ablenkbarkeit
- Vergesslichkeit
Motorische Hyperaktivität
- Innere Unruhe
- Unfähigkeit, sich zu entspannen
- Unfähigkeit, sitzende Tätigkeiten auszuführen
- Ängstlich-bedrückte, traurig-gereizte Stimmungslage (Dysphorie) bei Inaktivität
Desorganisiertes Verhalten
- Unzureichende Planung und Organisation von Aktivitäten
- Aufgaben werden nicht zu Ende gebracht
Affektkontrolle
- Andauernde Reizbarkeit, auch aus geringem Anlass
- Verminderte Frustrationstoleranz und kurze Wutausbrüche
Impulsivität
- Unterbrechen anderer im Gespräch
- Ungeduld
- Impulsiv ablaufende Einkäufe
- Unvermögen, Handlungen im Verlauf zu verzögern
Emotionale Überreagibilität
- Unfähigkeit, adäquat mit alltäglichen Stressoren umzugehen
- Reizüberflutung, Black-Outs
Affektlabilität
- Wechsel zwischen neutraler und niedergeschlagener Stimmung
- Dauer von einigen Stunden bis maximal einigen Tagen
2 Antworten
Eine Persistenz der Symptome im Erwachsenenalter von 10%, wie von Ihnen im Artikel angegeben, ist eine zu niedrige Quote.
In Fachartikeln werden Quoten von 50-80% angegeben:
https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-020-03175-y
Liebe Frau Hartig,
vielen Dank für Ihren wertvollen Hinweis. Wir haben die Zahl in unserem Artikel geändert.
Herzliche Grüße
Kathrin Schmitt