Stigma. Eigentlich ist das nur ein anderes Wort für Wund- oder Brandmal. Doch genau so kann es sich anfühlen, wenn man als Depressiver seine Krankheit offenlegt oder unfreiwillig “geoutet” wird. Nämlich dann, wenn man anstelle von Verständnis und Mitgefühl, nur Voreingenommenheit und Herabwürdigung zu spüren bekommt. Es fühlt sich an, als hätte man von jemandem einen schmerzhaften Stempel aufgedrückt bekommen. Ein glühendes Eisen. Genau dort, wo es am meisten wehtut.
Krank zu sein ist schlimm genug
Die Sache ist so: Eine Depression ist schmerzhaft. Eine Depression ist quälend. Eine Depression ist eine ernstzunehmende Erkrankung. Keine Ausnahme. Keine Einschränkung. Keine Grauzone. Depressionen sind schlimm. Und die Betroffenen leiden nun wirklich schon genug! Aufgrund dieses Leidens auch noch von Außenstehenden beschämt zu werden ist für viele Erkrankte mehr als sie in ihrem Zustand ertragen können. Die Folgen einer weiteren Belastung können fatal sein: Depressive, die gedemütigt werden, ziehen sich zurück. Zweifeln an sich selbst. Schrecken davor zurück sich Hilfe zu suchen. Schlittern in eine soziale Isolation. Manche landen in einer so tiefen Verzweiflung, dass sie das Leben selbst infrage stellen.
Bagatellisierung ist kein Kavaliersdelikt
Menschen aufgrund ihrer Erkrankung zu diskriminieren, ist nicht akzeptabel. Das versteht jeder, oder? Aber warum ändert sich dann nichts? Warum fehlt es in der breiten Masse noch immer an Akzeptanz für psychisch Kranke? Warum müssen sich Depressive noch immer Sprüche wie “Jeder hat doch mal einen schlechten Tag!” oder “Reiß dich zusammen!” anhören? Warum müssen sie erfahren wie ihr Leid nicht anerkannt und bagatellisiert wird? Warum werden sie noch immer als Mimosen, Jammerlappen oder gar Simulanten hingestellt? Warum werden sie stigmatisiert?
Das glaube ich erst, wenn ich es sehe!
Ein Problem, das alle Erkrankungen, die sich nicht im Körper, sondern in der Seele manifestieren, gemeinsam haben, ist, dass sie für Außenstehende unsichtbar sind. Sie quälen die Betroffenen von innen heraus, sind auch für die Patient*innen selbst schwer zu begreifen und für ihr Umfeld noch viel schwerer nachzuvollziehen. Manch einer denkt vielleicht: “Der/die sieht doch eigentlich ganz gesund aus! Wie kann er*sie da krank sein?” Und genau da liegt der Denkfehler! Muss ein Kranker einen Bildbeweis für seine Erkrankung erbringen? Nein! Das wissen wir eigentlich auch. Oder würden Sie jemanden auffordern Ihnen sein Magengeschwür oder seine Nierensteine zu zeigen? Nein? Warum erwarten Sie dann eine Depression sehen zu können?
Depressionen sind keine Einstellungssache
Bitte, lassen Sie sich nicht dazu hinreißen, einem Depressiven seine Krankheit ausreden zu wollen. Auch wenn Aussagen wie “Denk doch mal positiv!” oder “Lach doch mal!” scheinbar aufmunternd klingen, schwingt in solchen gut gemeinten, beiläufigen Sätzen viel Kontraproduktives mit. Erstens: Sie bevormunden den Kranken. Zweitens: Sie verharmlosen das Leiden der*des Depressiven und erkennen ihren*seinen Schmerz nicht an. Solche Sätze vermitteln auch den Eindruck, dass eine Depression nur eine “Einstellungssache” wäre. Das geht so weit, dass sogar Schuldzuweisungen stattfinden. Gerade so als könne der oder die Depressive etwas dafür, dass er bzw. sie erkrankt ist. Um das mal in aller Klarheit zu sagen: Das Krankheitsbild der Depression ist komplex. Die Ursachen sind vielfältig. Depressionen muss man behandeln. Man kann sie nicht “weglächeln”!
Es gibt einen Weg aus der Depression
Vielleicht fragen Sie sich jetzt wie in aller Welt Sie mit jemandem umgehen sollen, der*die depressiv ist. Vielleicht haben Sie jetzt Angst etwas Falsches zu sagen oder zu tun. Um ehrlich zu sein: Nicht nur für Betroffene, auch für deren Angehörige ist der Umgang mit einer Depression eine Herausforderung. Deswegen werden wir diesem sensiblen Thema in den nächsten Wochen noch einen gesonderten Artikel widmen.
Doch es gibt eine Sache, die Sie in jedem Fall tun können und sogar sollten: Helfen Sie der depressiven Person professionelle Hilfe zu finden! Frühzeitig erkannt und behandelt, können Depressionen überwunden werden. Patient*innen können sich davon vollständig erholen oder zumindest lernen damit umzugehen. Wir bei Heiligenfeld begreifen es als unsere Aufgabe Menschen zu helfen ihr Leben wieder zu lieben. Informieren Sie sich hier über unsere Behandlungsangebote.
5 Antworten
Der depressive Mensch muss eine Bereitschaft mitbringen zur Unterstützung- das ist nicht immer der Fall und so fühlen sich wohlmeinende Menschen in seiner Umgebung oft hilflos. Das Schweigen macht die Situation nicht einfacher.
Ich musste mich bei meinem letzten Arbeiitgeber in einem so genannten „Krankenrückkehrergespräch“ öffnen. Mein damaliger Projektleiter schien verständnisvoll, meine direkt vorgesetzte Teamleiterin hat es nicht verstanden.
[…] und, ja, eventuell eine professionelle Behandlung – braucht. Zumindest hier, lässt sich das Stigma gegenüber der psychischen Störung […]
Insgesamt dachte ich zunächst “ein guter Artikel, der zeigt, was Diskriminierung erkrankter Menschen anrichten kann”,.
Bis – ohne jegliche Erläuterung oder Begründung, falls es sie geben sollte – die Zeile “Depression ist eine Herausforderung für Angehörige” erschien.
DAS ist eine Bewertung und Stigmatisierung, die genau das, was der Artikel vermutlich bewirken sollte, aufhebt.
Hallo Karo,
Danke für Ihr Feedback zu unserem Blogbeitrag. Im Sinne einer ganzheitlichen Aufklärung, ist es uns wichtig nicht außer Acht zu lassen, dass eine Depression zwar hauptsächlich und mit besonderer Schwere die Erkankten belastet – gleichzeitig aber auch deren Angehörige berührt. Unsere Behandlungserfahrung hat uns wiederholt gezeigt, dass es für Freund*innen, Partner*innen und andere Familienmitglieder eine große Herausforderung sein kann, ihre Liebsten unter einer so schweren psychischen Erkrankung leiden zu sehen. Anzuerkennen, dass eine Depression – für alle Betroffenen – keine Lappalie ist, ist ein wichtiger und konstruktiver Schritt. Er kann die Hemmungen über diese Erkrankung zu sprechen lösen, das Thema Depression aus der Tabuzone in die Mitte unserer Gesellschaft rücken und so den Weg für eine Entstigmatisierung der Erkrankten ebnen.
Viele Grüße!