Jürgen Fries ist Psychologe und Psychotherapeut (HPG) mit eigener Praxis in Eibelstadt, nahe Würzburg. Die Idee, das Konzept des “Therapeutischen Bogenschießens” mit in sein Praxisportfolio aufzunehmen, kam ihm während eines Aufenthalts in Schweden. Das Therapeutische Bogenschießen ist für Menschen geeignet, die auf eine besondere Weise mehr über sich selbst erfahren, sich spüren möchten und die sich mit den Themen “Achtsamkeit”, „persönliche Ziele“, “Stärken und Schwächen” sowie “Kommunikation” beschäftigen möchten. In nachfolgenden Interview beantwortet Herr Fries die wichtigsten Fragen:
Wie wird das therapeutische Bogenschießen eingesetzt?
Therapeutisches Bogenschießen ist eine handlungs- und erfahrungsorientierte Methode, die Körper, Geist und Seele gleichermaßen anregt und verbindet. Durch das Zusammenspiel aus intuitivem Bogenschießen und therapeutischem Gespräch entsteht ein Medium, das eine Unterstützung bei der Bearbeitung seelischer Probleme sein kann.
Was kann der Patient dabei lernen und für sich mitnehmen?
Das Bogenschießen steht im Vordergrund der Therapie. Sie spüren und erleben sich selbst im Kontrast aus Spannung, Entspannung und Gelassenheit. Die körperlichen Erfahrungen ermöglichen einen neuen Blickwinkel auf vorhandene Denk- und Handlungsmuster. Neue Lösungsansätze entstehen und können konkret auf den Alltag übertragen werden – und das meist ohne viele Worte.
Gleichzeitig werden Ihre Ressourcen gestärkt. Therapeutisches Bogenschießen kann Ihnen helfen, Ihre innere Mitte zu finden. Es kann daher auch der ideale Ausgleich zu Belastungen und Stress im privaten und beruflichen Alltag sein.
Sind Vorkenntnisse nötig, um beim Therapeutischen Bogenschließen mitmachen zu können?
Beim Therapeutischen Bogenschießen sind keine Vorkenntnisse im Bereich des Bogenschießens notwendig. Wir beginnen den therapeutischen Prozess immer mit einer Einführung in die Bewegungsabläufe des intuitiven Bogenschießens. Dabei lernen Sie nicht nur das Material und seine Kraft kennen, sondern dürfen sich bereits an dieser Stelle offen auf die ersten Erfahrungen freuen und einlassen. Manchmal ist es daher sogar gut, wenn Sie noch keine Erfahrungen im Bogenschießen haben.
Welchen Patienten ist das Bogenschießen zu empfehlen?
Das Therapeutische Bogenschießen ist zunächst für Patientinnen und Patienten geeignet, die auf eine besondere Weise mehr über sich erfahren möchten und auf der Suche nach neuen Lösungsmustern für vorhandene Denk- und Handlungsmuster sind.
Unsere Intuition und unsere Instinkte gehen im Alltag häufig unter bzw. verloren. Wir sind es gewohnt auf rational, logischer Ebene zu agieren. Therapeutisches Bogenschießen lässt unseren Blick wieder nach innen wandern. Unsere Gefühle, Bedürfnisse und unsere Instinkte treten in den Vordergrund und schaffen sich Raum. Je mehr Sie beim intuitiven Bogenschießen nachdenken, sich auf das Ziel fixieren und es unbedingt erreichen wollen, desto weniger wird Ihnen dies gelingen. Vielleicht kennen Sie das aus Ihrem Alltag?
Dennoch hilft uns das Therapeutische Bogenschießen, sich zu fokussieren, die Aufmerksamkeit und den Blick auf das Hier und Jetzt zu richten, sich selbst und unsere Ziele in den Vordergrund zu stellen. Vielleicht sogar in einem ersten Schritt eigene Fähigkeiten, Möglichkeiten, Ressourcen und Ziele zu entdecken.
Nicht zuletzt hat das Bogenschießen auch etwas Archaisches, lässt uns unsere Kräfte spüren, denn auch diese Seite gilt es zu entdecken.
Was ist es nicht und kann es nicht sein?
Therapeutisches Bogenschießen ist keine neue Technik des Bogenschießens, auch wird kein spezielles Material verwendet. Es geht nicht um Leistung, Perfektion oder Erfolg. Therapeutisches Bogenschießen ist auch kein einmaliges Erlebnis oder gar Event.
Mein Ziel ist es also nicht, aus Ihnen möglichst erlebnisreich und sportlich erfolgreiche Bogenschütz*innen zu machen. Vielmehr möchte ich Sie in Ihrem therapeutischen Prozess, in Ihrer persönlichen Entwicklung, durch Bogenschießen begleiten.
Welches Erlebnis, z. B. mit einem Ihrer Patienten, ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Vor Kurzem kam ein junger Mann zu mir auf den Platz. Der gesenkte Kopf und die allgemeine Körperhaltung sprachen Bände. Er meinte zu mir, dass er das nicht könne mit Pfeil und Bogen zu schießen. Wir konzentrierten uns zunächst auf die Haltung und die Bewegung, begannen den Bogen zu spüren, zu spannen und tasteten uns langsam heran. Ich werde nie vergessen, wie er weinend seinen ersten Pfeil schoss. Ich spürte, dass dies der erste Schritt für ihn war sich zu befreien: von Selbstvorwürfen, Vorabverurteilungen und dem “sich nichts zutrauen”. Von Woche zu Woche merkte ich eine stetige Entwicklung zu einer immer stärker werdenden Persönlichkeit. Ein wunderbarer Prozess. In der achten Woche meinte er zu mir, dass er eine Herausforderung suche. Diese gab ich ihm gerne. Ich befestigte zwei ausrangierte Pfeile kreuzförmig auf einer ansonsten schwarzen Zielscheibe, sodass sie diese in vier gleich große Quadranten einteilten. Anschließend bat ich ihn, genussvoll in jeden der Quadranten einen seiner Pfeile zu schießen. Der junge Mann ging an die Schießlinie, stellte eine Verbindung zu sich selbst sowie zu Bogen und Ziel her, nahm eine gerade Haltung ein, schoss in sich ruhend den ersten Pfeil und traf – allerdings „nur“ genau die Mitte der Scheibe, in der sich die beiden Pfeile kreuzten und übereinanderlagen. Er spaltete die beiden Pfeile auf der Scheibe. Die anfängliche Enttäuschung das eigentliche Ziel nicht erreicht zu haben wich schnell der Freude und dem Stolz auf die eigenen Fähigkeiten. Er hatte sein Ziel erreicht! Ich selbst war und bin noch immer sehr dankbar für diesen Moment.
Das Interview führte Sebastian Bünner.
Therapien in Heiligenfeld
Therapeutisches Singen
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